L. Brecciaroli Taborelli: Oro, pane e scrittura

Cover
Titel
Oro, pane e scrittura. Memorie di una comunità «inter Vercellas et Eporediam»


Herausgeber
Brecciaroli Taborelli, Luisa
Reihe
Studi e ricerche sulla Gallia Cisalpina 24
Erschienen
Rom 2011: Edizioni Quasar
Anzahl Seiten
533 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Stefanie Martin-Kilcher

Die Gallia Cisalpina und ihr Alpenvorland stehen im Zuge der römischen Eroberungskriege des 2. und 1. Jh. v.Chr. immer wieder im Fokus. Während die Forschung sich bis vor wenigen Jahrzehnten auf schriftliche Quellen und (wenig zahlreiche) Inschriften verliess, haben seither vor allem Grabfunde mit reicher Ausstattung, aber auch Siedlungsgrabungen und Einzelfunde gerade in den Alpentälern die Quellen erheblich erweitert und erlauben vertiefte Einblicke und Rückschlüsse auf die Bevölkerung einerseits und die historischen Abläufe andererseits.

Im vorliegenden Sammelband werden aus der Gemeinde Cerrione (BI) erstens eine langgestreckte, vielleicht nur saisonal bewohnte Talsiedlung des späteren 2. bis 1. Jh. v.Chr. auf der Flur ‚La Bessa’ vorgestellt (S. 25–58) und zweitens ein am Rand der Poebene gelegenes Gräberfeld mit (noch) 214 Grabstellen und erstaunlichen Befunden (S. 59–509). Beide Plätze befinden sich im östlichen Umfeld der um 100 v.Chr. begründeten Colonia Eporedia am Aufgang zum Grossen St. Bernhard, zugleich im Bereich der alpinen Edelmetallvorkommen.

Die Siedlung ‚La Bessa’ stand vielleicht mit der Gewinnung von Flussgold in Zusammenhang. Das Geschirrinventar, die Amphoren und Lampen zeigen einen südlichen Standard. Einige Fibeln (u.a. Typ Misano) passen dagegen wie die einfache Keramik in die regionale Spätlatène-Fazies. Erwähnenswert ist eine frühe Scharnierfibel (aus der nördlichsten Hausstelle, mit Keramik bis ins mittlere 1. Jh. v.Chr., S. 31). Ein Münzdepot mit drei Denaren (t.p.q. 118 v.Chr.) und zehn Victoriaten kommt aus Fundstelle I/1.

Im Zentrum der Untersuchungen stehen die Gräber aus Cerrione und ihre Ausstattung (leider gibt es nur einen kolorierten Fasenplan, nach S. 380). Das im Süden und Osten vollständige Areal ist Teil eines grösseren Brandgräberfriedhofs. Die vorgelegten Gräber werden aufgrund der Ausstattung in sieben chronologische Phasen unterteilt, die die Zeit vom ausgehenden 2./frühen 1. Jh. v.Chr. (besteht ein Zusammenhang mit der Deduktion von Kolonisten nach Eporedia?) ununterbrochen, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, bis in die Spätantike belegen. An einigen Stellen blieb ein Teil des antiken Gehniveaus erhalten (s. z.B. S. 11 und Fig. 40.91). Dort wurden einfache Deponierungen beobachtet, die mit dem Erinnerungskult zu verbinden sind (S. 66, Fig. 48).

Mehrere Einzeluntersuchungen sind der Grabausstattung gewidmet, die — wie am Alpenrand üblich — in erster Linie bei der Grablegung unverbrannt beigegeben wurde. Untersucht wurden zudem der Leichenbrand (öfters kleine Mengen) und die übrigen organischen Reste (karpologische und botanischen Reste, Holzkohle, Holzarten, Textilien); zu den Tierknochen nur einige Bemerkungen S. 250.

Besonders interessant sind nicht weniger als 81 Grabstelen und steine, die sich quasi über die ganze Belegungszeit verteilen. 60 davon sind beschriftet (Liste S. 102f.), und 39 wurden in situ in den zugehörigen Gräbern gefunden! Sieben Grabstelen tragen Inschriften im einheimischen, lepontischen Alphabet, die anderen eine lateinische Beschriftung. Zwar ist der Text sehr einfach und nennt in der Regel nur Namen und Filiation, aber durch die Verbindung mit datierten Gräbern lassen sich Familiennamen über mehrere Generationen verfolgen (zu den Farsulei, S. 98). Die Inschriften bilden einen Schatz vorab einheimischer Namen und für die Archäologie die Möglichkeit von Familienrecherchen. — Die Archäologie kann Theodor Mommsen eines Besseren belehren (CIL V, S. 748, LXXV).

Zitierweise:
Stefanie Martin-Kilcher: Rezension zu: Luisa Brecciaroli Taborelli (Hrsg.) Oro, pane e scrittura. Memorie di una comunità «inter Vercellas et Eporediam». Beiträge von L. Brecciaroli Taborelli, A. Deodato, F. Barello, G. Cresci Marrone, P. Solinas, E. Quiri, E. Castiglione, M. Rottoli. Studi e ricerche sulla Gallia Cisalpina 24. Rom 2011. Zuerst erschienen in: Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 95, 2012, S. 233.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 95, 2012, S. 233.

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